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Streben und Sterben

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Im letzten Beitrag erwähnte ich, in Thailand gibt es mehr als dreissigtausend Tempel und über dreihunderttausend Mönche. Die Verteilung der Robenträger ist sehr unterschiedlich. In städtischen Gebieten ist die Anzahl der Mönche grösser, als in einsamen, abgelegenen Wat auf dem Lande.CandlesSala
Städtische Anlagen sind meist komfortabler eingerichtet. Unzählige Besucher aus allen Ländern der Erde bestaunen und beklicken exotische Glaubenswelten.
Die Almosengänge sind kürzer. Die Strassen sind geteert. Kuhfladen sind seltene Hindernisse. Unterhaltungsmöglichkeiten wie Computergeschäfte und Eisdielen sind leicht erreichbar. (1) Für junge Mönche sind solche Kriterien wichtiger, als das Studium der klassischen Literatur.

In einigen Software Verkaufsstellen traf ich mehr Mönche als in den benachbarten Tempeln. Den amerikanischen Fensterlieferanten Winzigweich* kennen sie besser als die Schriften des Tripitaka. (2)
Viele Europäer, die wenige Bücher über den Buddhismus lasen, verfügen über bessere Kenntnisse, als die meisten Safran tragenden Kurzzeitaufenthalter. In Tempeln zählen Äusserlichkeiten, wie das Einhalten genormter Abläufe und die Gewänder der verkleideten Schauspieler weit mehr, als jegliches erlernte Wissen. Ein alter Abt darf tonnenweise Güte und grenzenlose Toleranz walten lassen, ohne jegliche Gefahr für Leib und Leben Untergebener.
Dagegen explodiere ich trotz des Ruhestands fast, wenn ein Schüler wegen chronischer Gedankenlosigkeit in Lebensgefahr gerät. Nach spontanem Urschrei zeige ich auf die Steckdosen an der Wand und erkläre gefasst:
“Was da herauskommt ist nicht giftig. Trotzdem kannst du daran sterben.“
Die schlitzäugigen Schelme lächeln und nicken eifrig, ohne je zu begreifen, denn ich zelebriere das Herzkammerflimmern nicht.

In unserer Nähe steht ein rot-goldener Tempel. Ich zählte an die vierzig Unterkünfte für Mönche und Besucher. Der Abt hatte seit zehn Jahren selten mehr als ein halbes Dutzend Gelbröcke. Er war ein gebildeter Herr der traditionellen Schule und verlangte als Vorbild striktes Einhalten der Regeln.
Er erkrankte schwer und bildete keine Novizen mehr aus. Wegen Ungehorsams, Drogenkonsums, Weibergeschichten und Alkoholismus entliess er die restlichen Mönche.
Er hatte ein offenes Ohr für unsere Anliegen und war uns wohlgesinnt. Wir wurden Zeugen, als er einen Mönch wegen unerlaubten Verlassens der Anlage verwarnte.
Unterhaltsarbeiten und das tägliche Reinigen wurde seit Jahren von Freiwilligen und bezahlten Arbeitskräften ausgeführt.
Wenige Tage vor seinem Ableben erkundigte er sich nach uns. Als Abt starb er einsam, nachdem er für den Tod und seine Hinterlassenschaft alles schriftlich anordnete. Er war der einzige buddhistische Abt, der die Regeln einhielt und dem ich vertraute.

Der alte Abt von Wat Sala ist für mich unglaubwürdig, weil in seinem Prunksaal ein Lotterie-Nummernautomat steht. Gegen ein paar Baht, spuckt die magische Maschine mit flimmernden, farbigen Dioden, gesegnete Glückszahlen aus. Der Erlös, mehrere tausend Baht, wird monatlich von einem Spital für bedürftige Patienten eingesammelt.

Unser Dorftempelvorsitzender reiste trotz Khao Pansa, Fastenzeit, nach Malaysia. Reisen wären eigentlich untersagt. Er reiste ja nicht, er benutzte das Flugzeug.

Ein anderer, hochverehrter Ordensmann, bestellte bei mir Farang-Essen. Damit verstösst er gegen die Regeln, denn er müsste verzehren, was ihm gewährt wird und wäre es ein lepröser Finger, der in seine Almosenschale fällt.

*Microsoft Windows

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Eisdiele
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhistischer_Kanon


Einsortiert unter:Buddhismus, Drogen Tagged: Abt, Alkoholiker, Lepra, Malaysia, Microsoft, Tempel, Thailand, Tripitaka, Wat

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